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Veranstaltungsaufschub Februar& Vorstellung des Angebots "Gesprächsrunden"•DOREAFAMILIE Dietzenbach•

Liebe Angehörige, 

hier ein kleines Update zu unseren Veranstaltungen im Haus. 

Gemeinsam von unseren Bewohner*innen des Hauses wurde beschlossen, dass wir zum aktuellen Zeitpunkt keine Großgruppen und außergewöhnlichen Veranstaltungen zum Feiern durchführen wollen.

Die angespannte Lage in der Ukraine, aber auch in Russland beschäftigt alle sehr, sodass der Bedarf nach Gesprächen und die Empathie viel größer ist, als die Lust zu feiern. 

Aufgrund der schönen Frühlingssonne wurden die Balkone des Hauses zu Dachterassen eröffnet, die einen besonderen Raum für Gesprächsrunden zu diesem aber auch zu anderen Themen bieten. 
 

Warum wir Gesprächsrunden gezielt anbieten? 

Es ist uns ein festes Anliegen unsere Bewohner*innen dort abzuholen, wo sie stehen und gleichzeitig Vertrauen zu vermitteln. 
Oft es ist in Gemeinschaften, wie unsere Wohngruppen es sind, so, dass eine Person ein Thema mitbringt und mit den anderen besprechen möchte. 
Manchmal sind das nur "Kleinigkeiten" wie, welchen Kuchen es am Mittag gibt, aber auch große Themen wollen aufgegriffen werden. 

In Gesprächsrunden erfahren wir gleich zwei Urbedürfnis als aufgegriffen, nicht allein sein (zu müssen) und in Kommunikation mit anderen Individuen zu sein. 
Gesprächsrunden tragen auch immer zur Identitätsfindung, -bildung und -aufrechterhaltung bei, denn unsere Identität hängt immer auch mit unseren Sozialkontakten zusammen und bleibt bis ins höchste Alter ein Prozess. 

Wir leben unsere Gesprächsrunden, mehrfach wöchentlich, um unsere Gemeinschaft aufrecht zu erhalten, um jeden einzelnen zu integrieren und einen Austausch über die banalsten aber eben auch die wichtigsten Themen zu ermöglichen. 

 

Für alle Leser*innen, die etwas mehr Zeit mitbringen, hier zwei Beispiele, die den Unterschied deutlich werden lassen ;) 

Am Beispiel der aktuellen Situation in der Ukraine und Russland lässt sich die Notwendigkeit der begleiteten Gesprächsrunden zuerst an einem kleinen Negativbeispiel gut veranschaulichen, was im Extremfall passieren könnte, wenn Themen nicht adäquat aufgegriffen werden. 

Fr. X hört also im Radio, dass der Welt ein Krieg bevorsteht. Sie hat selbst Kriegserfahrungen, die augenblicklich und völlig unbewusst aus ihrer Erinnerung abgerufen werden. 
Fr. X, der keine Gesprächsrunden angeboten werden und auch sonst in einem Haus lebt, welches keine Gesprächskultur fördert, wird sofort Angst und Bange. Sie verliert ihren Appetit, bleibt in ihrem Zimmer und isoliert sich mehr und mehr. Aus Angst. Fr. X weiß auch nicht, wie sie das mitteilen soll, denn über Gefühle spricht man ja schon mal gar nicht. 
Fr. X bleibt allein, mit ihren Gefühlen, die bedrohlich auf sie wirken und mit jeder Berichterstattung wachsen. Die Angst wirkt sich auf ihren Körper aus. Es kommt zu Verspannungen und einem erweiterten Rückzug aus dem Alltag, Verweigerung von Mahlzeiten, Verweigerung von Körperpflege und vielleicht auch zur Verweigerung von Kontakt. Damit lebt Fr. X solange weiter, bis der Krieg oder sie ihr Ende findet. 

Und so sähe der Idealfall für uns aus; 

Die Betreuungskraft Q. begleitet das Frühstück auf Wohngruppe 15, sie hat bereits mitbekommen, wie die aktuelle Situation verläuft und informiert sich, da sie sich darüber bewusst ist, dass ihre Bewohner*innen biographische Erlebnisse in Kriegszeiten erfahren haben, die nun wieder hervorgerufen werden können.
Fr. X kommt zum Frühstück und erzählt ihrem Tisch, dass sie gehört habe, dass nun ein neuer Krieg komme. Betreuungskraft Q. verteilt Kaffee und Wasser und setzt sich an ihren Tisch dazu, nutzt die Zeit, um eine spontane Gesprächsrunde zu begleiten.
Sie erwidert, dass auch sie davon gehört habe und fragt behutsam, was es wohl bedeutet, wenn es die direkte Umwelt betrifft. 
Hr. Y teilt mit, dass er sich noch lebhaft erinnern kann, wie es damals war, die Lautstärke, der Geruch, die Bombennächte und auch die Zeit, in der junge Männer einfach in die Wehr eingezogen wurden und es wenig zu essen gab.
Er spricht darüber, wie schwierig die Zeit war, wie aber auch die schweren Zeiten in Gemeinsamkeit und Zusammenhalt durchgestanden wurden, dass zwar alle Angst hatten und nicht wussten, wie der Morgen aussieht, dass aber eben keiner allein gelassen wurde und so auch die Angst besiegt wurde, denn solange man sich gegenseitig hatte, konnte man eben immernoch sprechen und einander unterstützen. 

Fr. X versteht, dass sie mit ihrer Situation und ihren Gefühlen nicht allein ist, sie spricht über ihre Angst und auch Betreuungskraft Q, die so keinerlei Erfahrungen aus dem Krieg mitbringt, wirft ihre Gefühle in den Topf, macht deutlich, dass nahezu jeder Mensch sich aktuell sorgt, aber auch, dass sie und ihre Kolleg*innen jederzeit ansprechbar sind. 
Gemeinsam werden auch die Unterschiede zu den damaligen Kriegen deutlich- wenn sie Krieg auch nicht weniger schlimm werden lassen- bringt Hr.Y ein, dass wir heute über Kommunikationsmöglichkeiten verfügen, die uns früher informieren. Hr. K, der bis jetzt still war, bemerkt, dass es immer noch ausreichend Speisen für alle gibt und auch die Hygienemöglichkeiten, ja die Krankenversorgung viel besser sei als im letzten Krieg, schließlich hätten wir auch so eine Pandemie wie Corona mehr oder minder gut überstanden....

Anhand der eingefügten Beispiele wird sichtbar, welcher Unterschied durch die Gesprächsrunden entstehen kann, die allen Beteiligten die Möglichkeit geben, sich mitzuteilen und ihre Gefühle in anderen als "normal" wiederzufinden.

Bei Fragen zu Angeboten oder Sonstigem, wenden Sie sich gern an uns unter 06074-62790-480